Digitalisierung des Privatarchivs von Wilhelm Josef Waibel

Die Theresienkapelle Singen digitalisiert Egodokumente ukrainischer Zwangsarbeiter

Digitalisierung von Zwangsarbeiterzeugnissen an der Gedenkstätte Theresienkapelle Singen

Bereits seit den 1960er Jahren setzte sich Wilhelm Waibel mit dem Schicksal zahlreicher Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Singen während der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Als letztes bauliches Zeugnis dieser Zeit auf lokaler Ebene erinnert die 1946/47 von deutschen Kriegsgefangenen errichtete Kapelle an vier unterschiedliche Phasen der Geschichte:

  • Das Gelände 1942 von der Georg-Fischer AG für die massenhafte Unterbringung der Zwangsarbeiter vorwiegend aus der Sowjetunion errichtet wurde.
  • Von 1945 bis 1948 wurde das Gelände für  die Unterbringung deutscher Internierter unter französischer Militärverwaltung genutzt. 1946/47 ließ Lagerkommandant Jean Le Pan de Ligny  die Kapelle auf dem ehemaligen Bunker errichten.
  • Seit 1960 wird die Kapelle als Gotteshaus für die italienische katholische Mission genutzt und spiegelt somit einen bedeutenden Teil der europäischen Arbeitsmigration wieder.
  • Heute legen Ort und Kirchenraum Zeugnis ab von der gesellschaftlichen Aufarbeitung: Vergessen, Verdrängen, Aufarbeiten und Erinnern, alles eng verbunden mit bürgerschaftlichem Engagement.

Das Privatarchiv von Wilhelm Josef Waibel

Aus der Aufarbeitungs-, Geschichts- und Versöhnungsarbeit des Singener Wilhelm Josef Waibel entstand ein außergewöhnliches Archiv mit Zeitdokumenten, zahlreiche Fotografien und Egodokumenten ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Das Privatarchiv besteht aus unzähligen Dokumenten, Fotos, Videos und Schmalspurfilmen. Seit längerer Zeit erfolgt eine systematische Ordnung der wichtigsten Unterlagen durch Wilhelm Josef Waibel selbst. Bis heute besteht allerdings kein detaillierter Gesamtüberblick über die Größe des Bestandes, da auch noch weitere Archivalien auf eine Bearbeitung warten.

Nach einer Sichtung des Privatarchivs durch die Historikerin Dr. Carmen Scheide entstand die Idee, die nichtveröffentlichten Egodokumente aus den Jahren seit 1989 einer breiteren Öffentlichkeit als Dokumente mit historischem Wert zugänglich zu machen. Bisher sind 36 Dokumente digitalisiert erfasst. Zum größten Teil liegen sie auch in deutscher Übersetzung vor. Zudem wurden mehrere hundert Fotografien von Reisen in die Ukraine und von Anlässen rund um die Kapelle beschriftet und mit Hintergrundinformationen versehen und zahlreiche Briefwechsel zu Recherchen über Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern zugänglich gemacht. Im letzten Jahr verfügte Wilhelm Josef  Waibel, dass sein umfangreiches Archiv nach seinem Tod dem Stadtarchiv Singen übergeben werden solle.

Alle Egodokumente, Tagebücher und noch teilweise unveröffentlichte Texte, die u. a. über die Rückführung der Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern und die Zustände in der sowjetukrainischen Gesellschaft der Nachkriegszeit berichten, sind jeweils zwischen 5 und 40 Seiten lang.

Die Selbstzeugnisse entstanden zum Großteil in den 1990er Jahren. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion setzte auch die Aufarbeitung dieser Vergangenheit ein. Dabei spiegeln die Texte die damaligen Vorstellungen, Normen und Einschätzungen der jeweiligen Individuen wider.  Über den lokalen Bezug hinaus weisen die Dokumente auf eine europäische Verflechtungsgeschichte sowie auf Gewalt- und Kulturerfahrung hin.

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