Deportationen 1943/44

Aufgrund der bedingungslosen antisemitischen Weltanschauung des Nationalsozialismus und des Kriegsverlaufs steigerte die Gestapo nochmals den ohnehin hohen Verfolgungsdruck. Rund 350 Jüdinnen und Juden waren der Deportation bis dahin entgangen. Sie waren Mitarbeiter:innen der Jüdischen Kultusvereinigung, Arbeiter:innen oder mit nichtjüdischen Partner:innen verheiratet. Im Februar 1943 trafen die Verhaftungen durch Gestapo-Beamte 27 Personen vollkommen unvorbereitet auf der Straße oder am Arbeitsplatz. Am 1. März wurden sie nach Auschwitz deportiert.

Als der letzte Rabbiner der Stuttgarter Gemeinde Josef Wochenmark zu Beginn des Jahres 1943 erfuhr, dass auch er und seine Ehefrau Bella deportiert werden sollten, versuchte das Ehepaar, sich das Leben zu nehmen. Ihr Schicksal steht beispielhaft für insgesamt rund 260 Menschen aus Württemberg und Hohenzollern, die durch Selbsttötungen noch schlimmeren Qualen zu entgehen versuchten. Bella Wochenmark, die den Suizidversuch überlebte, wurde am 16. April 1943 mit 20 weiteren Menschen nach Theresienstadt deportiert und im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet.

Am 17. Juni 1943 wurden neun Personen nach Theresienstadt verschleppt, unter ihnen Mitglieder der kurz zuvor aufgelösten Jüdischen Kultusvereinigung Württemberg. 13 weitere Jüdinnen und Juden wurden nach Auschwitz deportiert. Auch die Ehe mit einer Nichtjüdin oder einem Nichtjuden stellte keine Sicherheit mehr dar. Im September 1943 wurden zwei jüdische Frauen, deren nichtjüdische Ehepartner verstorben waren, in einem Sonderabteil nach Auschwitz deportiert.

Im Januar 1944 wurden weitere Jüdinnen und Juden, deren Ehen zu nichtjüdischen Partner:innen durch Tod oder Trennung keinen Bestand mehr hatten, aus der Gestapo-Zentrale Stuttgart nach Theresienstadt gebracht. Am 30. November 1944 wurden einige noch in sogenannter Mischehe lebende Jüdinnen und Juden zunächst im Durchgangslager Bietigheim und später in einem Arbeitslager bei Wolfenbüttel interniert. Ebenso wie die meisten der 58 jüdischen „Mischehe“-Partner:innen, die noch am 12. Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert wurden, überlebten sie.

Von den mehr als 2.500 aus Württemberg und Hohenzollern deportierten Jüdinnen und Juden überlebten nur rund 200 Personen. Über die letzten Lebensmonate der Ermordeten ist häufig wenig bekannt, oft nicht einmal ihr genaues Todesdatum. Sie wurden anonym und unwürdig in Massengräbern verscharrt.


Text: Linda Huber nach LpB Baden-Württemberg (Hrsg.): „Wir fragten uns, ob wir unser Zuhause je wiedersehen würden.“ Die Deportationen der Jüdinnen und Juden aus Württemberg und Hohenzollern 1941 bis 1945, MATERIALIEN, Stuttgart 2021.

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