Der Begriff „Euthanasie“

Vom Begriff der „Euthanasie“ zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“

Das Wort „Euthanasie“ setzt sich in seinem Ursprung aus dem altgriechischen  „eu“ (gut) und  „thanatos“ (Tod) zusammen. Der Begriff wurde in der griechischen Antike unter anderem als Bezeichnung für einen Tod verwendet, welcher ohne lange Leidensphase eintrat.

Erst in der Frühmoderne wurde der Begriff um ärztliches Handeln erweitert. Dieses zielte auf die Ermöglichung eines schmerzfreien Todes ab, ohne dass in den natürlichen Prozess des Sterbens an sich eingegriffen wurde. Mit Beginn der Moderne, besonders seit Ende des 19. Jahrhunderts, wurde der Begriff auch in Verbindung mit der Tötung schwerkranker und unheilbar kranker Menschen diskutiert. Seine Bedeutung reicht dabei von Sterbehilfe über die „Tötung auf Verlangen“ bis hin zur gezielten Ermordung von als „lebensunwertes Leben“ stigmatisierten Menschen aufgrund von eugenischen bzw. „rassenhygienischen“ Kosten-Nutzen-Überlegungen. Es ist deshalb wenig ratsam den Begriff „Euthanasie“ voraussetzungslos und unreflektiert zu verwenden.

Für die Zeit von 1939 bis 1941 beschreibt der Begriff NS-„Euthanasie“ industriellen Massenmord, gleich ob die Beschreibung aus historischer, juristischer oder allgemein ethischer Perspektive geschieht.
Auch der oft in Wissenschaft und Publizistik verwendete Begriff des Krankenmords ist nicht unproblematisch. Der Krankheitsbegriff bleibt unterreflektiert und mit Sicherheit handelt es sich bei Menschen mit Behinderungen nicht um „Kranke“. Weder die Geschichtswissenschaft noch die Medizingeschichte verfügen über Instrumente, um zu klären, ob es sich bei allen Opfern der NS-„Euthanasie“ um Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen gehandelt hat.

Für die Beschreibung des Sachverhalts und den Status der Betroffenen als Opfer sowie für die Beschreibung ihrer Tötung als Mord spielt dies keine Rolle. Ihnen gemeinsam war ihre Einstufung durch die Täter als „lebensunwertes Leben“ und ihre Deportation aus Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie nach Grafeneck.

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Die Gesellschaft als biologisches Gebilde

Neue Erkenntnisse der Genetik, besonders beeinflusst durch die Schriften Charles Darwins, führten Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem breiten öffentlichen Diskurs in den industriell entwickelten Ländern. Theoretiker wie der englische Philosoph und Soziologe Herbert Spencer dehnten biologische Prinzipien der Evolutionstheorie auf die Entwicklung der Gesellschaft aus und lieferten damit die Begründung für eine neue Art der Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik, welche sich in den Programmen verschiedenster politischer Strömungen in Europa und den USA wiederfinden.  

Ihr Grundgedanke dabei war, dass durch die auf unterschiedslose Lebenserhaltung ausgerichtete Medizin und Sozialfürsorge die natürliche Auslese und damit der Erhalt des gesellschaftlichen Gefüges in Frage gestellt werde. Die Konsequenzen dieser Annahmen für die politischen Strömungen waren dabei sehr unterschiedlich. Sie wurden beispielsweise als Argument gegen den Sozialstaat angeführt und verschmolzen sowohl mit rassistischen als auch sozialreformerischen Motiven.

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Der Begriff der Eugenik

Eine besonders große Verbreitung über verschiedene politische Lager hinweg fanden die Vorstellungen der Eugenik, der Lehre von den „guten Erbanlagen“. Die Eugenik, in Deutschland als „Rassenhygiene“ bezeichnet, hatte die Zielsetzung, den Anteil an positiv bewerteten Erbanlagen in der Bevölkerung zu erhöhen und den Anteil negativ bewerteter Erbanlagen zu verringern. Soziale Phänomene verschiedenster Art wie Kriminalität oder Prostitution, aber auch Krankheit und Behinderung wurden damit als erblich bedingt angesehen.

Die konkreten Folgen und Programme, welche sich aus den Vorstellungen der Eugenik in den Ländern ergaben, sind sehr unterschiedlich. Sie reichten von gesundheitlicher Aufklärung, über die Förderung der Fortpflanzung von Menschen mit positiv bewerteten Erbanlagen, bis hin zur freiwilligen Sterilisation und der gesetzlich legitimierten Zwangssterilisation.

Ein Teil der Eugeniker und Rassenhygieniker befürwortete die „Euthanasie“ im Sinne der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“.

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„Rassenhygiene“ und „Euthanasie“ im Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Vorstellungen der „Eugenik“ und „Rassenhygiene“ verstärkt an den Universitäten institutionalisiert und gleichzeitig radikalisiert. Schon wenige Wochen nach der Machtübernahme wurden gesetzliche Maßnahmen ergriffen. Aus Sicht der Nationalsozialisten sollten diese die biologische und ökonomische Gefahr für die Volksgemeinschaft und Volksgesundheit eindämmen.

Am 1. Januar 1934 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Zwischen 300.000 und 400.000 Menschen wurden bis Kriegsende zwangsweise sterilisiert. Hinzu kam eine zunehmende Kosten-Nutzen-Fokussierung, die die Kosten durch Pflege und Unterbringung für die Öffentlichkeit und die Arbeitsfähigkeit kranker und behinderter Menschen gegenüberstellte.

Bei Kriegsbeginn wurde das „Euthanasie“-Programm im Sinne der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in die Tat umgesetzt. Der Krieg bot hierbei die Möglichkeit und ein Begründungszusammenhang für die Einsparung und Umstrukturierung von medizinischen und ökonomischen Ressourcen. Man geht heute von 150.000 Opfern der verschiedenen „Euthanasie“-Programme in Deutschland aus.

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