Landestheater Tübingen: "Täterinnen" feiert Premiere

Theaterpremiere: „Täterinnen“ –
Erste Koproduktion mit Geschichtswerkstatt über kollektive Erinnerung und deren Bezug zur politischen Kultur der Gegenwart

Rechtsextremismus gestern und heute – damit befasst sich die Inszenierung „Täterinnen“, die vor wenigen Tagen am 2. April 2016 in der Theaterwerkstatt des Tübinger Landestheaters (LTT) ihre Premiere feierte. Das Stück wurde gemeinsam mit dem LTT-Theaterjugendclub und der Geschichtswerkstatt Tübingen inhaltlich erarbeitet und setzt sich auch mit dem Phänomen weiblicher Radikalisierung in der Gegenwart auseinander.

Normalerweise stehen im Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus die Opferschicksale und die kollektive Erinnerung an das Leid der Betroffenen im Mittelpunkt.  Nicht so in der Inszenierung „Täterinnen“. Die Produktion des Landestheaters beleuchtet die Biographie von NS-Täterinnen, die aus Tübingen stammen, und spannt den Bogen zur Radikalisierung von jungen Frauen in heutiger Zeit.


Täterinnen: Suhni und Oma Eberle. Mit Melanie Sidhu u. Ruth Sprondel. Foto: David Graeter, Tübinger Landestheaters (LTT)

Die Handlung holt den Zuschauer in seiner Lebenswelt ab und knüpft damit insbesondere an die Erfahrungen junger Zuschauer an. Auf einem Zeltplatz ermittelt die Polizei wegen eines Brandanschlages auf eine benachbarte Flüchtlingsunterkunft – mitten in der Freizeitromantik des Campingplatzes. Auch Anna und ihre Freunde, ein Freundeskreis auf Wanderurlaub, erfährt von den Ermittlungen. Dabei entwickelt sich schnell eine besondere Dynamik zwischen Anna, ihren Freunden und anderen Gruppen, die auf dem Campingplatz mitmischen. Eine besondere Faszination geht dabei von einer großen Gruppe junger Mädchen aus, die gemeinsam mit ihren Betreuerinnen volkstümliche, anachronistische Kleider tragen, blonde Zöpfe bevorzugen und am liebsten urdeutsche Lieder singen. Dass diese Gruppe aber mehr im Schilde führt, als nur altes Liedgut und ausgedehnte Wanderungen zu veranstalten, merken Anna und ihre Freunde erst nach einiger Zeit – und befinden sich so mitten im Diskurs zwischen skurriler Faszination, politischem Rechtsextremismus und harter Kriminalität. Denn bald müssen die Heranwachsenden entscheiden, wo sie selbst stehen. 


Täterinnen: Omas List mit Gabi Oechsle-Kober, Ruth Sprondel, Erik Hammer, Jette Bachmann, Anke Hoffmann, Timon Coskun, Laura Fetka, Laura Schäfer. Foto: David Graeter, Tübinger Landestheaters (LTT)

Das spannende Theaterstück versteht es, die Zuschauer auf besondere Art und Weise mit ins Geschehen einzubeziehen. So fühlt man sich im dialektischen Diskurs, der durch die jungen Darsteller auf der Bühne theatralisch inszeniert wird, ganz besonders in die Auseinandersetzung integriert. Dass während des Theatergeschehens biographische Sequenzen die Täterinnen des Nationalsozialismus mit rechtsextremen Verbrecherinnen der heutigen Zeit parallelisieren, verstärkt den Gegenwartsbezug des Stückes. Das besondere Zusammenspiel aus Lichttechnik, Bühnenbild und passenden Kostümen steht für die hohe Professionalität der Produktion.


Täterinnen: Alptraum mit Magdalene Braun, Elke Haas, Marga Andriessens, Michela Barbaro, Dorothea Gauss-Landsleitner, Jette Bachmann. Foto: David Graeter, Tübinger Landestheaters (LTT)

Die Gesamtproduktion der Inszenierung ist eine Neuerung am LTT: Zum ersten Mal haben das „Frauentheater Purpur“, eine Gruppe für theaterbegeisterte Frauen zwischen 55 und 90 Jahren, der Theaterjugendclub am Landestheater und die Geschichtswerkstatt Tübingen zu dritt zusammengearbeitet und so „Täterinnen“ zu einem „Generationenprojekt“ gemacht – denn insbesondere junges Publikum soll durch das Stück zur Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur angeregt werden.

Zu diesem Zweck hat die Tübinger Geschichtswerkstatt die Entstehung des Stückes begleitet. „Wir haben gemeinsam mit den Jugendlichen die Biografien der Täterinnen aufgearbeitet und Spaziergänge durch die Stadt veranstaltet“, erklärt Jens Kolata, der für den Verein ehrenamtlich an der biografischen Arbeit beteiligt war.

In die Vorbereitungen eingebunden war auch dessen Vereinskollege Dr. Martin Ulmer: „Unser Verein hatte auch schon vor einigen Jahren ein kleineres Projekt mit dem Landestheater, allerdings nicht derselben Größenordnung. In diesem Umfang war das auch für uns Neuland“, betont der Historiker.

Ein enormes Engagement, das sich ausgezahlt hat: Mit erstaunlicher Professionalität schufen die Tübinger Gruppen und Vereine eine beeindruckende Koproduktion, die überwiegend mit Laienschauspielern besetzt ist und das Publikum zu begeistern weiß.

(David Stellmacher)


Nachweis Pressefotos "Täterinnen"

Landestheater Tübingen: "Täterinnen" - Spielplan


 

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