Flüchtlinge an Gedenkstätten?

Ein Überblick über die Aktivitäten und Angebote der Gedenkstätten

Flüchtlinge an Gedenkstätten?
Eine Umfrage im Land zeigt: an einigen Orten werden Angebote für Geflüchtete gemacht.

  • Sind die Gedenkstätten mit Geflüchteten oder mit der Thematik Flucht in Berührung gekommen?
  • Haben Flüchtlinge die einzelnen Gedenkstätten besucht?
  • Gab oder gibt es Veranstaltungen, die sich mit der aktuellen Fluchtbewegung auseinandersetzen?

Dieser Bericht fasst die Ergebnisse unserer Umfrage zusammen: Danach hat der Großteil der Gedenkstätten bisher keine Berührungspunkte mit Flüchtlingen gehabt. Eine ganze Reihe von Gedenkstätten engagiert sich und einige planen Aktivitäten zur Flüchtlingsthematik.
Die Umfrage zeigt zugleich, wie unterschiedlich dabei die Zugänge sind.

Unser Überblick gibt Einblicke in die Aktivitäten der Gedenkstätten (alphabetisch nach den jeweiligen Sitzorten geordnet):

Von der Ehemaligen Synagoge Sennfeld in Adelsheim-Sennfeld wurden Flüchtlinge gezielt zum Tag der offenen Tür eingeladen und es wurden für sie Führungen veranstaltet.

Aktuell liegt beim Hohenasperg – Ein deutsches Gefängnis in Asperg eine Anfrage von deutschlernenden erwachsenen Flüchtlingen vor, die in der Gedenkstätte an einem Workshop für Menschenrechte teilnehmen wollen.

Die KZ-Gedenkstätte Bisingen. Museum „Mut zur Erinnerung – Mut zur Verantwortung“ bot am 5. Juli 2016 eine Veranstaltung zur Flüchtlingsthematik an: „Wer bist du? Flüchtlinge im Zollernalbkreis in doppelter Perspektive“. Über Gedenkstättenmitarbeiter besteht auch generell Kontakt zu Flüchtlingen, der zumeist über persönliche Begegnungen zustande gekommen ist, oft konnte er über die Schule geknüpft werden.

Die Gedenkstätte Landschulheime Herrlingen in Blaustein-Herrlingen behandelte die Thematik Flüchtlinge ausgiebig beim Jahresempfang 2016. Außerdem gab es Gesprächsrunden mit Flüchtlingen. Hierbei handelte es sich um den Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern, die Fluchterfahrungen im oder nach dem zweiten Weltkrieg gemacht hatten, und Flüchtlingen von heute. Der Dialog firmierte unter der Überschrift: „Niemand flüchtet aus Übermut!“. Es gab einen vergleichsweise großen Andrang und eine intensive Berichtserstattung in den Medien.

Im Theodor Heuss Museum der Stadt Brackenheim wurden Flüchtlinge durch die Sonderausstellung geführt. Außerdem findet hier regelmäßig der Integrationskurs Deutsch im Museum statt. Unter anderem wird dabei auch die bundesdeutsche Geschichte am Beispiel der Biographie von Theodor Heuss behandelt. Bei der Veranstaltung zu Heuss‘ Geburtstag mit dem Thema: „Interkulturalität. Welche Kompetenzen braucht ein Bundestagspräsident?“ ging es unter anderem um den Besuch von Bundespräsident Gauck in der Türkei; anwesend waren auch syrische Musiker. Außerdem halfen die Museumsmitarbeiter bei der Installation der Plakatausstellung „Weg zur Einheit“ (in Arabisch) in der Flüchtlingsunterkunft. Das Museum lieferte zudem den thematischen Rahmen dieser Ausstellung.
Das Rabbinatsmuseum Braunsbach zeigte acht Wochen lang eine Ausstellung zum Thema Islam, die um das Themenfeld „Islam und Flucht“ erweitert worden war. Zu sehen war unter anderem ein Original-Flüchtlingszelt der UNHCR.

Das Blaue Haus in Breisach hat seine Türen für Flüchtlinge geöffnet: Seit Mai 2015 bereiten Flüchtlinge und Ehrenamtliche gemeinsam Mahlzeiten zu. Man isst gemeinsam und tauscht sich aus. Einige Ehrenamtliche an der Gedenkstätte sind zugleich in der Flüchtlingsarbeit engagiert. In Breisach sind etwa 300 Geflüchtete untergebracht (Juni 2016).

Etliche Geflüchtete haben bereits das Jüdische Museum Emmendingen besucht. In der Museumsnacht kamen syrische Familien, teils auch mit deutschen Bekannten. Kontakte bestehen auch auf andere Weise: Eine der Gedenkstättenmitarbeiterinnen unterrichtet Flüchtlinge.

Im Pädagogisch-Kulturellen Centrum Ehemalige Synagoge Freudental (PKC) wurden im Rahmen des Jugendprogramms „Open Door“, an dem deutsche Jugendliche und arabische Jugendliche aus Israel teilnahmen, auch Flüchtlinge eingeladen, die über ihre Erfahrungen berichteten. Die Gedenkstätte wird auch gelegentlich von Flüchtlingen besucht. Außerdem arbeitet der FSJler des PKC derzeit an einem Projekt, das die Freudentaler Fluchtgeschichten im Nationalsozialismus den aktuellen Fluchtgeschichten gegenüberstellt.

Die KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen in Gäufelden-Tailfingen lud zusammen mit einem syrischen Flüchtling zu einer Veranstaltung über: „Flucht damals und heute“. Es gab einen großen Andrang zu dieser Veranstaltung und der Kontakt zu den beteiligten Flüchtlingen besteht weiterhin.

In der Alten Synagoge Hechingen war eine Ausstellung zur Thematik Flüchtlinge und Flucht zu sehen.

Die Gedenkstätte Ehemalige Synagoge Rexingen in Horb-Rexingen zeigte vom 13. April bis zum 3. Mai 2016 im Museum Jüdischer Betsaal in Horb eine Ausstellung, die auf einem Schulprojekt zum Thema: „Ausgrenzung“ im Kunstunterricht am örtlichen Martin-Gerbert-Gymnasium basierte. Die Schüler arbeiteten zu historischen Themen zur jüdischen Lokalgeschichte und zu aktuellen Themen wie Mobbing an Schulen und der Situation von Flüchtlingen heute. Zur Eröffnung der Ausstellung erzählte ein junger Syrer seine Fluchtgeschichte, bei der Abschlußveranstaltung waren zwei syrische Musiker anwesend. Eine syrische Familie bereitete Essen für die Besucher vor. Im Frühjahr fand bereits eine Gruppenführung für junge syrische Männer durch die Gedenkstätte statt. Dabei ergaben sich Gespräche mit Syrern über die jüdische Geschichte von Horb und Rexingen. Außerdem wurde im Betsaal ein interreligiöses Frauentreffen mit Musliminnen, unter denen auch Flüchtlinge waren, und Christinnen ausgerichtet.


Presseartikel zu der Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal in Horb.
Basierend auf einem Schulprojekt zum Thema: „Ausgrenzung“

  • Südwest Presse: Ausgrenzung thematisiert - Ausstellung von MGG-Schülern im Jüdischen Betsaal wird morgen eröffnet (© Südwest-Presse, Dienstag, 12. April 2016)
  • Schwarzwälder Bote: Gymnasiasten erzählen mit Kunst Geschichten von Flucht und Ausgrenzung (Fotos: Hopp, © Schwarzwälder Bote, Nummer 82, Samstag, Horb, 9. April 2016)

Im Museum zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim wurde vom 3. Juni bis zum 3. Juli 2016 die Sonderausstellung „Augen.Blicke“ mit Flüchtlingsporträts der Fotografin  Laura Zalenga gezeigt. Die 44 Aufnahmen, die allesamt im Landkreis Biberach entstanden waren, regten zur Auseinandersetzung mit den Geschichten der Geflüchteten an. Begleitend bot das Museum ein pädagogisches Angebot an, das von Jugendlichen bzw. Schulklassen gut aufgenommen wurde. In der vierwöchigen Laufzeit wurden insgesamt 750 Besucher gezählt.

Foto: aus der Sonderausstellung  „Augen. Blicke. Flüchtlingsportraits von Laura Zalenga, Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden

Die KZ-Gedenkstätte Leonberg lud Flüchtlinge gezielt zum Sternmarsch am 1. Mai 2016 ein. Der Kontakt zu den Flüchtlingen wurde über Ehrenamtliche hergestellt. Die Geflüchteten wurden vor Ort bewirtet und ihre Kinder betreut. Es gab auch Führungen. Allerdings wurde angemerkt, dass es aufgrund der verschiedenen Sprachen schwer war, sich zu verständigen. Eine inhaltliche Vermittlung war nur mit einem Dolmetscher möglich. Zudem wurde erwähnt, dass die Flüchtlingsbetreuung ein weiteres Einsatzfeld für Ehrenamtliche ist, auch für Aktive an Gedenkstätten. Den Berichten zufolge hat bereits ein Mitglied sein Amt niedergelegt, um sich verstärkt für Flüchtlinge engagieren zu können.

Die KZ-Gedenkstätte Neckarelz in Mosbach-Neckarelzwurde von einigen Flüchtlingen aus Eigeninitiative besucht. Auch aus Obrigheim kam eine Gruppe Flüchtlinge zur Gedenkstätte. Bis der Deutschkurs in die Flüchtlingsunterkunft verlegt wurde, fand dieser in den Seminarräumen der Gedenkstätte statt. (Zusammen mit einer Flüchtlingsinitiative rief sie vor der Landtagswahl zu einer Anti-AfD-Demo auf.)

Im Bundesarchiv – Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt war vom 10. März bis zum 8. Mai 2016 die Ausstellung „Der Weg zur Einheit“ in arabischer Sprache zu sehen. Die Ausstellung spannte einen Bogen von der Friedlichen Revolution in der DDR 1989 bis in die Gegenwart. Kleinere Gruppen von Flüchtlingen kamen immer mal wieder in Eigeninitiative, gezielte Anmeldungen gab es jedoch nicht.

An der Gedenkstätte Eckerwald in Schömberg-Schörzingen ergab sich ein ungezwungenes Zusammensein  von ehemaligen KZ-Häftlingen aus Polen, die zu Besuch in Südwürttemberg waren, von Gedenkstättenmitarbeitern und einer syrischen Flüchtlingsfamilie. Bei dieser Begegnung wurden Erfahrungen ausgetauscht. Mitgliedern der Gedenkstätteninitiative, die Deutschkurse für Flüchtlinge geben, hatten den Kontakt zu den Flüchtlingen hergestellt.

Das Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart lädt am 29. September 2016 um 18 Uhr zu einem Vortrag von Prof. Dr. Jochen Oltmer zum Thema: Migration, Flucht, Asyl. Die Vergangenheit und Zukunft der Gegenwart. Es folgt am 26. November 2016 (9.30 bis 15.30 Uhr) ein Vortrag zum Thema: Flucht.Punkt Deutschland: 1946 und 2016. Wie gingen und gehen wir mit Flüchtlingen um? Zu den bisherigen Vorträgen kamen keine Flüchtlinge, vermutlich auch aufgrund fehlender Sprachkenntnisse. Es gibt Kontakte zu Flüchtlingen und Flüchtlingsheimen, sowie Überlegungen zu Veranstaltungen im nächsten Jahr, diese sind aber noch unausgereift.

Das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg (DZOK) in Ulm hat bisher mehrere Gruppen von Flüchtlingen durch die Gedenkstätte geführt.


An einigen Gedenkstätten spielt die Thematik Flucht auf indirekte Weise eine Rolle:

In der Gedenk- und Begegnungsstätte ehemalige Synagoge Bopfingen-Oberdorf wurden zum Beispiel Juden aus der Umgebung eingeladen, im Gespräch ging es unter anderem auch darum, ob die Gäste Kontakte zu Flüchtlingen haben. Außerdem wurde ein Theaterstück aufgeführt, das Flucht und Vertreibung generell behandelte. Hier wurde die Bereitschaft bekundet, mehr zu machen, es fehlten aber bisher die finanziellen Mittel.

Die KZ-Gedenkstätte Echterdingen-Bernhausen selbst hat nichts unternommen, aber die der Gedenkstätte zugehörige Stiftung zeichnet sozial- oder zivilgesellschaftlich wichtige Projekte aus. Darunter waren auch Projekte zum Thema Flüchtlinge.

Die Erinnerungsstätte Ständehaus in Karlsruhe hat bisher nichts zur Thematik angeboten, war aber an der Sonderausstellung „Wanderungen“ im Rahmen der europäischen Kulturtage beteiligt. Die Ausstellung war in der Krypta der evangelischen Stadtkirche zu sehen.

An der Gedenk-, Lern-, und Begegnungsstätte Ehemalige Synagoge Kippenheim gab es keine Aktionen, aber es fanden zwei Benefizveranstaltungen für Flüchtlingsinitiativen statt. Da die Gedenkstätte eher abgelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen ist, wurde bisher nichts für Flüchtlinge angeboten, aber grundsätzlich wäre aus Sicht des Vereins eine Zusammenarbeit mit Flüchtlingen eine Überlegung wert.

Die Stauffenberg-Erinnerungsstätte in Stuttgart bietet Führungen für Integrationsklassen durch die Gedenkstätte an. Meistens beschränken sich die Anfragen aber auf die Dauerausstellung im Haus der Geschichte, dort gibt es auch ein breites Angebot an Kontakt- und Begegnungsprogrammen, die auch gut nachgefragt werden von Gruppen Sprachlernender. Darunter sind vor allem Flüchtlinge.

Am Denkmal Synagogenplatz Tübingen gab es bisher keine Aktionen, aber die Geschichtswerkstatt plant eine Führung für Flüchtlinge zum Thema Nationalsozialismus Ende 2016/Anfang 2017.

Die Erinnerungsstätte im Salmen in Offenburg kam bisher mit der Flüchtlingsthematik nicht in Berührung, allerdings fanden im zugehörigen Rittermuseum Führungen für Flüchtlinge statt.

Die Dokumentationsstätte Goldbacher Stollen und KZ Aufkirch in Überlingen bot bisher ebenfalls nichts zu dieser Thematik an, aber auf der jährlichen Gedenkfeier am 9. Mai 2016 auf dem Friedhof sprach ein syrischer Flüchtling über den Zusammenhang der Verfolgung von damals und der heutigen Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen. Der Kontakt zu diesem Flüchtling war allerdings nicht über die Gedenkstätte hergestellt worden, sondern vermutlich über den Mitorganisator VVN.

In der KZ-Gedenkstätte Vaihingen an der Enz kommt der Arbeitskreis Asyl regelmäßig zu Führungen.


Die Anfrage bei 32 weiteren Gedenkstätten im Land ergab keine Rückmeldung zu Aktivitäten zum Thema Flucht und Flüchtlinge heute. Dafür wurden Begründungen genannt, die im Folgenden gebündelt wiedergegeben werden:

  • Es ist unbekannt, ob Flüchtlinge die Gedenkstätte besucht haben, da die Gedenkstätte frei zugänglich ist, keine Informationen über den Hintergrund der Besucher vorliegen oder keine Besucherstatistik erhoben wird.
  • Im Ort selbst leben keine/kaum Flüchtlinge.
  • Die Flüchtlinge befinden sich aktuell in einer schweren Lage und haben bereits genug Probleme. Sie müssen nicht gleich mit der Thematik Nationalsozialismus konfrontiert werden. Es ist wichtiger, ihnen zu helfen, die eigenen Traumata zu überwinden und ihre Situation zu verbessern. Ein Gedenkstättenbesuch ist angesichts der Probleme, die die Betroffenen haben, hinten anzustellen.
  • Einige Gedenkstätten setzen ein hohes Sprachniveau voraus, sodass es aus ihrer Sicht zunächst keinen Sinn macht, dass Flüchtlinge die Gedenkstätten besuchen.
  • Von Seiten der Flüchtlinge wurde nach Angaben von Gedenkstättenmitarbeitenden kein Interesse an der Gedenkstätte gezeigt.
  • Flüchtlinge verfügen über einen anderen kulturellen und religiösen Hintergrund, darum ist man vorsichtig mit der Kontaktaufnahme zu Flüchtlingen. Aus dem Umfeld wurde außerdem die Sorge an die Gedenkstätte herangetragen, es könnte etwas passieren.
  • Zusammenarbeit mit Flüchtlingen wird erst dann akut, wenn es zu antisemitischen Äußerungen kommt.


Sarah Schneider, im Juli 2016

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