Jüdisches Museum Göppingen

Neue Dauerausstellung und Erinnerungsweg des Jüdischen Museums Göppingen-Jebenhausen

Gleich der Beginn der Ausstellung weist auf die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinden in Göppingen und Jebenhausen hin: Die erste größere Synagoge in Jebenhausen wurde 1803 erbaut und ein Jahr später eingeweiht.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wanderten die meisten jüdischen Gemeindemitglieder allerdings in größere Städte ab, sodass das Gebäude 1899 geschlossen und ein paar Jahre später an die Gemeinde Jebenhausen zum Abriss verkauft wurde. Teile der Inneneinrichtung, vor allem die prachtvollen Kronleuchter und Holzbänke wurden der evangelischen Kirche in der Boller Straße 82 als Geschenk überlassen.

Nachdem die evangelische Gemeinde das Gebäude 1966 aufgegeben hatte, wurde 1992 die erste Ausstellung im neu eingezogenen Jüdischen Museum eröffnet.

Im linken Eingangsbereich widmet sich die Ausstellung der jüdischen Kultur.

In mehreren Vitrinen finden die Besucherinnen und Besucher Informationen zu jüdischen Bestattungsriten, der Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa sowie zu weiteren Bräuchen.  Auf der gegenüberliegenden Seite behandelt die Ausstellung die bedeutendsten Feiertage im jüdischen Kalender und die Regeln des Sabbats.

Eine interaktive Mitmachstation vermittelt den Besucherinnen und Besuchern zusätzliche Informationen zum Glauben und Alltagsleben, zu Riten, Bräuchen und den jüdischen „Geschwisterreligionen“.

Daran schließt sich ein chronologisch aufgebauter Rundgang zur Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen an. Er beginnt mit dem 1777 unterzeichneten Schutzbrief der Freiherren von Liebenstein, die den Zuzug von ersten jüdischen Familien gestatteten. Aus dieser Zeit sind leider nur einige wenige Objekte erhalten. So ergänzt vor allem ein Film die Informationen über das jüdische Leben in den beiden Gemeinden zu dieser Zeit.

Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden in Württemberg 1864 wanderten viele Juden aus den Landgemeinden in größere Städte ab. Ab 1867 gründete sich auch in Göppingen eine jüdische Gemeinde. Viele Jebenhausener Juden, vor allem Fabrikanten, zog es in die Stadt, wo sie im Laufe der Jahre bedeutende Industrieunternehmen aufbauten.

Ein Zeitstrahl auf der Empore erläutert die Entwicklungen im Nationalsozialismus bis 1945. Diese Zeit hebt sich von anderen Teilen der Ausstellung farblich ab. Der schwarze Grundton verdeutlicht diese dunkle Epoche der deutschen Geschichte. Die Ausstellung beleuchtet die lokalen Ereignisse wie zum Beispiel den Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte 1933, die Zerstörung der Synagoge 1938, die Deportationen sowie einzelne Schicksale der Opfer.

Der darauffolgende Teil beleuchtet die juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus nach 1945. In Göppingen erhielt vor allem der Fall des ehemaligen SS-Sturmbannführers Dr. Viktor Capesius besondere Aufmerksamkeit. Dieser hatte unter dem NS-Regime als Lagerapotheker an der Rampe in Auschwitz-Birkenau über Leben und Tod mitentschieden. 1950 eröffnete er eine Apotheke in Göppingen. 1959 wurde er wegen Kriegsverbrechen angeklagt und 1965 im Ersten Auschwitz-Prozess wegen Beihilfe zum Mord zu einer neunjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Neben der Geschichte dieses Falls finden die Besucherinnen und Besucher in diesem Teil der Ausstellung weitere Informationen zur Restitution und zum bürgerschaftlichen Engagement vor, das die Aufarbeitung der NS-Zeit vor Ort befördert hatte.

Insgesamt liefert die neue Dauerausstellung des Jüdischen Museums Göppingen einen hervorragenden Überblick zur jüdischen Geschichte auf lokaler Ebene und ebenso eine durchweg gelungene Einbettung in größere geschichtliche Zusammenhänge. So beeindruckt beispielsweise der Ausstellungsteil zur jüdischen Kultur gleich auf mehreren Ebenen. Neben dem Einblick in die Kultur zeigt er gleichermaßen Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Christentum auf. Zudem entkräftet er, durch interaktive Elemente ergänzt, gängige Stereotype, mit denen sich Juden auch heute noch konfrontiert sehen

Erinnerungsweg in Jebenhausen

Der vom Verein „Haus Lauchheimer“ initiierte und 2017 finalisierte Erinnerungsweg führt in neun Stationen durch die Gemeinde:

  1. Das Liebensteinsche Schloss
  2. Das Jüdische Museum
  3. Handel/Gewerbe/Schule
  4. Die Synagoge
  5. Armenhaus und Mikwe
  6. Villa Wieseneck
  7. Ein Tenor (Heinrich Sontheim) – ein Widerstandskämpfer (Georg Elser) – ein Nobelpreisträger (Albert Einstein)
  8. Haus Lauchheimer
  9. Jüdischer Friedhof

Die Stelen erklären in jeweils kurzen Texten die Geschichte der Station. Historische Fotografien ergänzen die Stelen. Darüber hinaus finden sich Informationen zu thematisch naheliegenden Fragen wie zum Beispiel zu koscherem Essen. 

Der Erinnerungsweg wurde unter anderem durch die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg finanziell gefördert.


(Autor: Michael Ilg. Aufbereitung für das Netz: LpB-Online-Redaktion, Mai 2019)

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