Kreisleiterforschung: Lexikon der kleinen Hitler!

Neue Publikation von Wolfgang Proske

Obwohl die Kreisleiter der NSDAP vor Ort „kleine Herrgötter“ (Goebbels) waren und insofern heute als „Garanten der national-sozialistischen Revolution“ (Barbara Fait) gelten, zählten sie dennoch jahrzehntelang zu den Stiefkindern der Zeitgeschichtsschreibung. Hinreichende Untersuchungen über sie fanden nur selten statt. Wer selbst schon einmal auch nur einem dieser Leute auf der Spur war, weiß, wie zeitintensiv und mühsam die entsprechende Forschung verlaufen kann! Denn grundsätzlich sind geeignete Quellen in den Stadt- und Kreisarchiven rar: hier sammelte man primär anderes. Auch in der historischen bzw. heimatge-schichtlichen Literatur sind Kreisleiter als nachgeordnete Funktionsträger der Nazis wenn überhaupt meist nur am Rande erwähnt worden, wobei sich oft sogar die einschlägigen Nebensätze bis in die Wortwahl hinein gleichen.

Vieles auf dem weiten Feld der Täter- bzw. Kreisleiterforschung ist auch den Fachleuten nur noch vom Hörensagen bekannt und verliert sich zunehmend mit dem Generationenwechsel. Die Hinweise auf die existierende Sekundärliteratur (Zeitungsausschnitte, Memoirenliteratur usw.) sind darüber hinaus schon aus deren Interessenlagen nicht selten von zweifelhaftem Quellenwert.

Eigene dokumentierte Untersuchungen lokaler Forscher*innen in den Staatsarchiven oder gar im Bundesarchiv fanden kaum statt, obwohl dort viel Material auffindbar wäre (wenngleich zumeist ganz anders geordnet). So kommt es, dass nur im Ausnahmefall der örtliche Kenntnisstand über die jeweiligen Kreisleiter insgesamt zufriedenstellend ist, während viel öfter in diesem Zusammenhang viel Ahnungslosigkeit existiert, die mit dem zeitlichen Abstand zum Geschehen weiter zuzunehmen droht.

Bisher fehlte sogar ein Überblick, um im schnellen Zugriff festzustellen, welche Kreisleiter wann und wo tätig waren und was darüber unter Bezug auf den aktuellen Forschungsstand bekannt ist? Wie eigentlich hießen vor Ort die jeweiligen Kreisleiter? Wann lebten und wann amtierten sie? Welchen Beruf hatten sie, welche Funktionen übten sie in der Partei aus? Sind besondere Ereignisse mit ihnen verbunden? Wie wurden sie von der Spruchkammer final beurteilt? Wie lauten die Signaturen ihrer wichtigsten Akten in den Staatsarchiven? Was wissen wir über ihre späteren Aktivitäten in der Bundesrepublik? Gibt es weiterführende Literatur?

Für den Südwesten ist jetzt ein Lexikon erschienen, das hierbei Abhilfe schafft und, wie es einleitend heißt, angesichts des Wiederauflebens von extremistischer Weltanschauung sogar als Ressource bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gelesen werden kann. Unglaublich, wie viel Detailwissen hier zusammengetragen worden ist! Als sehr hilfreich erweist sich, dass Baden und Württemberg-Hohenzollern in einem einzigen Band zusammengeführt worden sind, ergänzt um die kaum noch präsenten Kreisleiter im besetzten Elsass. Auch wenn im Einzelfall in dieser ersten Auflage vielleicht Zusammenhänge oder Fakten (noch) übergangen wurden und sich auch Fehler eingeschlichen haben (so ist z.B. der Kreisleiter Wittwer aus Ludwigshafen fälschlich Ludwigsburg zugeordnet worden): Das aufwendig mit eigener Landkarte im Umschlag, mit Seitenheftung und einem roten Faden sowie zahlreichen Portraitfotos gestaltete Buch ist ein „Eisbrecher“ in Sachen Kreisleiterforschung bzw. NS-Forschung im Südwesten! Man fragt sich, warum es ein solches Buch nicht längst schon gab! Ein Muss für alle, die in der Heimatgeschichte des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus auf dem Laufenden sein wollen!

Proske, Wolfgang:
Lexikon der kleinen Hitler! Die NS-Kreisleiter in Baden, Württem-berg-Hohenzollern und im besetzten Elsass, ca. 1928-1945, Ku-gelberg Verlag Gerstetten 2024, 145 S., ISBN 878-3-945893-29-4, 21,99 €.  

 

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