Gedenkveranstaltung

am 27. Januar 2023 im Landtag Baden-Württembergs

Dieses Jahr fanden nicht nur die großen Namen aus dem politischen und militärischen Widerstand in der Gedenkstunde im Landtag Beachtung, denn die LAGG (Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in BW) durfte im Auftrag von Frau Muhterem Aras Einladungen an Nachkommen von mutigen Menschen versenden, die im Alltag ihrem Gewissen folgend sich Anordnungen der Nationalsozialisten entgegengestellt hatten und von der Gestapo drangsaliert worden waren, wie Pastor Hermann Schäfer in Hausen ob Verena.

Dazu gehörten aber auch Leute auf dem Land, die geflüchtete KZ-Häftlinge versteckt, versorgt und dadurch gerettet hatten.

Im Südwesten zählen dazu: der Landwirt Julius Haag in Ratzenreute, die Bäuerin Gregg in Haisterkirch, eine weitere Familie in Ehrensberg bei Haisterkirch. In Ziegelbach waren es die Schwestern Berta und Elsa Knecht sowie die Familien Martin, Musch und Ludescher und in Krattenberg die Familie Reisch.
Nur zwei der Nachkommen konnten die Einladung annehmen: Julius Haag, der Enkel des Landwirts Julius Haag und Ruth Schäfer, die Tochter von Pastor Hermann Schäfer.

Im Anschluss an die Gedenkfeier waren die Besucherinnen und Besucher zu Gesprächen und Begegnungen ins Foyer im Haus des Landtags eingeladen. Die Landtagspräsidentin nahm sich Zeit für ein Gespräch mit Ruth Schäfer und Julius Haag.

Dabei erfuhr sie, dass der Landwirt Julius Haag im April 1945 den vom Todesmarsch entkommenen KZ-Häftling Hans Günther Bonn aufgenommen und in der Schmiede seines Vaters versteckt hatte.

Um seine Familie zu schützen, hatte Julius Haag nicht einmal seiner Frau etwas davon gesagt. Erst 2005 erfuhr sein Enkel Julius von der Aktion, nachdem Frank Kauwertz, Buchautor, nach den Spuren von Hans Günther Bonn gesucht hatte. Inzwischen bestehen freundschaftliche Kontakte zwischen der Familie Bonn/Noach in Israel und Familie Haag in Oberschwaben. Julius Haag hat das Schicksal von Hans-Günther Bonn recherchiert und in den Altshauser Heften und auf der Homepage des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben veröffentlicht.

Pastor Hermann Schäfer war 1940 verhaftet worden, weil er den Eid auf Hitler verweigert und Konfirmanden zum regelmäßigen Unterrichtsbesuch aufgefordert hatte. Er war nacheinander in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert, wurde in den Gestapozentralen Oberndorf und Hotel Silber in Stuttgart verhört. Beide Stellen waren für ihre Verhörmethoden berüchtigt. Am Heiligen Abend 1940 kam er frei, weil sich Bischof Theophil Wurm für ihn eingesetzt hatte. Obwohl er danach weiter unter Bewachung der Gestapo stand, setzte er sich nach der Errichtung des KZ Spaichingen für die dortigen Häft- linge ein und organisierte heim- liche Hilfslieferungen mit Medikamenten.

Im April 1945 verbarg er einen geflüchteten, zum Tode verurteilten französischen KZ-Häftling. Zu dieser Zeit waren im Pfarrhaus Hausen ob Verena deutsche Soldaten einquartiert. Seine Frau Alma   war hochschwanger. Trotzdem folgte er seinem Gewissen. Bei dem geretteten KZ-Häftling handelte es sich um Henri Fricker, den Chef der Résistance Elsass. Das erfuhr Hermann Schäfer erst, als Henri Fricker nach dem Einmarsch der französischen Truppen als Stadtkommandant in Spaichingen eingesetzt wurde. Auch die Familie Fricker und Schäfer blieben nach dem Krieg freundschaftlich verbunden.

Die Recherche zu dieser Geschichte aus dem Rettungswiderstand ist nachzulesen auf der Homepage des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben unter dem Link Forschungsergebnisse.

Text: Gertrud Graf

 

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