Aus den Gedenkstätten: Exkursion nach Oświęcim & Krakau

Gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg (LAGG) bot die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg vom 07. bis zum 12. August 2023 eine Fortbildungsexkursion für Gedenkstättenmitarbeitende nach Auschwitz und Krakau an. Insgesamt 20 Teilnehmende nahmen an der Exkursion teil, die unter dem Motto „Aufarbeitung und Vermittlungsarbeit heute“ Gedenkstättenbesuche und Führungen in Oświęcim und Krakau beinhaltete.

Nach der Anreise zur Internationalen Jugendbegegnungsstätte (IJBS) Oświęcim erwartete die Gruppe ein umfangreiches Programm. Es begann mit einem Vortrag über die Geschichte und pädagogische Arbeit der IJBS, die im Jahr 1988 unter anderem mit Unterstützung der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und einiger ehemaliger Häftlinge des KZ Auschwitz gegründet worden war. Nach dem Vortrag gab es eine Führung durch die Innenstadt Oświęcims sowie durch das Jüdische Zentrum, wo den Teilnehmenden vor allem die Geschichte der seit dem 16. Jahrhundert dort ansässigen jüdischen Bevölkerung näher gebracht wurde. Insgesamt war mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Stadt jüdischer Konfession, als sie im September 1939 von der Wehrmacht besetzt wurde. Abends rundete eine gemeinsame Kennenlernrunde in der IJBS den ersten Tag ab.

Der zweite Tag begann mit einem Besuch der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, wo die Teilnehmenden eine etwa vierstündige Führung durch das ehemalige Stammlager Auschwitz I erwartete. Das neue Besucherzentrum, welches die Besucher:innen eingangs durch einen Tunnel auf das Gelände des ehemaligen KZ führt, war erst vor zwei Monaten eröffnet worden. Besonders eindrücklich waren für die Teilnehmenden der Gang durch das Eingangstor mit seinem bekannten Schriftzug „Arbeit macht frei“ sowie die persönlichen Hinterlassenschaften der ermordeten Häftlinge, die in den ehemaligen Baracken ausgestellt werden.

Doch auch der Gang durch Krematorium und „Todesblock“ bot Eindrücke, die auch in den kommenden Tagen noch Gegenstand von Gesprächen unter den Teilnehmenden blieben. Am Nachmittag stand ein weiterer Besuch der Gedenkstätte auf dem Programm, wo sich den Teilnehmenden in der Kunstausstellung des Museums ein besonderer Einblick bot. Nicht für den regulären Besuch geöffnet, werden dort einige der mehr als 4.000 Kunstwerke ausgestellt, die Häftlinge teils als Auftragswerke, teils geheim im Lager angefertigt hatten.

Anschließend bestand noch die Gelegenheit, sich die in den ehemaligen Baracken des Stammlagers befindlichen Länderausstellungen anzuschauen, darunter die im Oktober 2021 neueröffnete Österreich-Ausstellung. Abends schaute die Gruppe den Dokumentarfilm „Auschwitz war auch meine Stadt“, der ganz unterschiedliche Perspektiven wie die des Auschwitz-Überlebenden Josef Jakubowicz oder der deutschen IG-Farben-Mitarbeiterin Johanna Scherzberg darstellt, und tauschte sich darüber und über die Eindrücke des Tages aus.

Nach einem sehr eindrücklichen Tag im ehemaligen Stammlager Auschwitz I stand am Mittwoch die Fahrt nach Brzezinka (Birkenau) zum Gelände des KZ Auschwitz II Birkenau auf dem Programm. Anders als im ehemaligen Stammlager Auschwitz I befindet sich hier keine museale Ausstellung. Auf dem weitläufigen Gelände, das zum Großteil in seinem ursprünglichen Nachkriegszustand belassen wurde, informieren verschiedene Tafeln über den Ort und die dort begangenen Verbrechen. Bei den meisten ehemaligen Holzbaracken ist nur das Steinfundament erhalten. Bei einer Führung über das Gelände wurde die immense Größe des Lagers mit seinen vier Krematorien und der „Rampe“, an der die Selektionen stattfanden, deutlich. Der Gang entlang der Wiesen und Teiche, auf denen die Asche der Ermordeten verstreut wurde, sowie die Malereien in der „Kinderbaracke“ stellten Kontraste dar, die noch lange nachdenken ließen. Den Abschluss des ersten Teils der Exkursion bildete nachmittags ein Besuch des direkt neben der Gedenkstätte Auschwitz I gelegenen, im Jahr 2021 neu eröffneten Museums „Bilder der Erinnerung – das Schicksal der Bewohnerinnen und Bewohner der Region Oświęcim“. Die multimediale Ausstellung stellt in vielen Filmaufnahmen und Ausstellungsstücken die Geschichte der Bürger:innen Oświęcims im 20. Jahrhundert dar. Die darin entwickelten Narrative wurden in der abendlichen Reflexionsrunde von der Gruppe kritisch diskutiert. Auch wurde darüber gesprochen, was die Teilnehmenden für ihre Arbeit in den Gedenkstätten aus den Erfahrungen und Besichtigungen der letzten zweieinhalb Tage mitnehmen.

 

Der zweite Teil der Exkursion begann am Donnerstag mit einer etwa einstündigen Zugfahrt nach Krakau, wo nach der intensiven Befassung mit der Zerstörung und Vernichtung des jüdischen Lebens der vorangegangenen Tage ein Blick auf das wieder entstandene jüdische Leben in der Stadt bevorstand. In einem geführten Rundgang durch die Krakauer Innenstadt, die im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde und deren Bebauung von der Zeit als Königstadt, aber auch der Besatzung durch Österreich im 19. Jahrhundert geprägt ist, erfuhr die Gruppe viel über die Geschichte der Stadt. Der spätere Nachmittag konnte individuell gestaltet werden und wurde z. B. für den Besuch des Jüdischen Museums Galizien genutzt.

Der Freitag begann mit einer ausführlichen Stadtführung durch das ehemalige jüdische Ghetto und das jüdische Viertel Kazimierz mit seinen Restaurants und Museen und verschiedenen Drehorten des Spielfilms „Schindlers Liste“. Den Nachmittag verbrachten die Teilnehmenden bei endlich schönem Wetter in der Krakauer Altstadt, erklommen den Wawelhügel und erkundeten neben weiteren Museen auch die vielen Cafés der Stadt. Bevor es am Samstagmorgen zurück nach Deutschland ging, war der letzte Abend nochmals eine Gelegenheit, bei einem gemeinsamen Essen die Erlebnisse und Eindrücke der Exkursion zu reflektieren. Dabei zeigte sich bald, dass die Exkursion auch zur weiteren Vernetzung innerhalb der baden-württembergischen Gedenkstätten und -initiativen beigetragen hat und man weiter in Austausch und Kontakt bleiben möchte.

Text: Philipp Meder

 

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