Exkursion

nach Frankfurt zum Geschichtsort Adlerwerke

Gemeinsam mit dem VGKN hat die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) am 19.11.2022 Ehrenamtliche und Aktive aus Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg zu einer Exkursion zum „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“ in Frankfurt am Main eingeladen.

Die Gedenk- und Bildungsstätte, welche schwerpunktmäßig zum KZ Katzbach in den Adlerwerken und zum Thema Zwangsarbeit in Frankfurt arbeitet, wurde im März  2022 eröffnet und wird vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933¬-1945 e. V. betrieben. Der Geschichtsort Adlerwerke ist eines der drei Mitglieder aus Hessen des  Verbundes der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler e. V. (VGKN).

Vor Ort gab der Leiter des Geschichtsorts Adlerwerke, Thomas Altmeyer, den interessierten Teilnehmenden eine Kuratorenführung durch die Ausstellung, welche das Herzstück des Lernorts bildet. In diesem Zuge erzählte er auch die Geschichte der Adlerwerke im Nationalsozialismus.

So hatten die Adlerwerke bereits 1936–1938 von der „Arisierungspolitik“ der Nationalsozialisten profitiert und das Fabrikgelände durch die Übernahme von Grundstücken jüdischer Unternehmer erweitert. Während des Zweiten Weltkriegs produzierten die Adlerwerke vor allem Fahrzeuge und Motoren für die Wehrmacht. Den  kriegsbedingten Arbeitskräftemangel versuchte die Firmenleitung dabei durch den Einsatz von Zwangsarbeiter:innen auszugleichen, sodass ab 1941 Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter:innen in den Werken ausgebeutet wurden. Aufgrund des anhaltenden Arbeitskräftemangels errichtete die Leitung auf dem Werksgelände im August 1944 schließlich das KZ Katzbach als Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof. Bis März 1945 wurden insgesamt 1.616 Personen in das Konzentrationslager verschleppt, eines der tödlichsten Außenlager des KZ-Komplex Natzweiler.

Nach Kriegsende, berichtete Altmeyer, versuchten die Firmenleitung und wichtige Akteure in der Stadtgesellschaft, die schwerwiegende Vergangenheit der Adlerwerke zu vertuschen, und waren an einer Aufarbeitung oder an einer Einrichtung einer Gedenkstätte wenig interessiert. Dass im Frühjahr dieses Jahres nun endlich die Gedenk- und Bildungsstätte eröffnet werden konnte, sei dabei insbesondere der Frankfurter Zivilgesellschaft zu verdanken, die sich seit den 1980er Jahren – gegen erhebliche Widerstände – für einen solchen Ort und eine Aufarbeitung der Stadtgeschichte einsetzte.

Die Ausstellung und das Konzept des Geschichtsorts, berichtete Altmeyer, wurden innerhalb von nur eineinhalb Jahren in Zusammenarbeit mit engagierten Bürger:innen entwickelt und gliedert sich in drei Themenbereiche. Neben dem Leben, Überleben und Sterben im KZ Katzbach liegt ein Schwerpunkt auf dem Thema Zwangsarbeit in Frankfurt. Hierüber informiert unter anderem ein topographischer Medientisch, auf dem Betriebe und Unternehmen kartiert sind, von denen bekannt ist, dass sie Zwangsarbeiter:innen beschäftigt haben. Zum Teil abnehmbare Informationstafeln berichten zudem über die beteiligten Akteure und die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Zwangsarbeiter:innen, die sich je nach Herkunft teils erheblich voneinander unterschieden. Zukünftig soll die Ausstellung darüber hinaus um einen Bereich ergänzt werden, der die Konflikte um Arbeit, Erinnerung und Entschädigung behandelt.

Nachdem die pädagogische Mitarbeiterin Laura Throckmorton die Kuratorenführung durch einen Einblick in die bestehenden Vermittlungsangebote und Materialien ergänzt hatte, führte Thomas Altmeyer die Teilnehmenden in einem historischen Rundgang durch das Frankfurter Gallusviertel, in dem sich auch der Geschichtsort Adlerwerke befindet. Der Stadtrundgang führte die Teilnehmer:innen unter anderem zu Gebäuden in denen Zwangsarbeiter:innen untergebracht waren, Orten, an denen jüdische Betriebe enteignet wurden und an den Schauplatz der Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Abermals wurde der Umfang der begangenen Verbrechen deutlich.
Ebenfalls im Rahmen der Stadtführung präsentierte Laura Throckmorton eine Vermittlungsmethode des Geschichtsorts Adlerwerke: Mit der App Actionbound erkunden die Jugendlichen das Stadtviertel und werden zu historisch bedeutsamen Orten geführt. Darunter ein Wohnhaus, an dem eine Gedenktafel an Adam Golub und Georgij Lebedenko erinnert. Die SS erschoss die beiden KZ-Häftlinge am 14. März 1945 auf offener Straße, nachdem sie am selben Tag aus dem KZ Katzbach geflohen waren. Adam Golub wurde dabei im Keller des Hauses entdeckt und von einem Anwohner denunziert. Anhand dieser Geschichte können die Schüler:innen die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten der Anwohner:innen reflektieren.

Hierin zeigt sich auch bereits das grundlegende Ziel des Geschichtsorts. Demnach soll das Wissen über die Vergangenheit zu einem besseren Verständnis der Gegenwart und der verschiedenen Gefährdungen für Demokratie und Menschenrechte beitragen und die Besucher:innen dazu befähigen, diesen Gefährdungen ethisch und historisch fundiert entgegenzutreten.

Voller Eindrücke konnten sich die Teilnehmenden bei einem gemeinsamen Mittagessen austauschen, miteinander vernetzen und Bezugspunkte aus der eigenen Arbeit sowie persönliche Erinnerungen teilen. Die lebhaften Gespräche wurden noch bei der Rückfahrt im Zug fortgesetzt.

Text: Peter Bratenstein

 

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.