Antijüdische
Gesetze und Verordnungen
nach: Joseph Walk (Hg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat.
Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien - Inhalt und
Bedeutung, Heidelberg, Karlsruhe 1981
I. Phase
31. Januar 1933 - 15. September 1935
Von der Machtübernahme bis zu den "Nürnberger Gesetzen"
28.2.33 Verordnung des Reichspräsidenten "zum Schutz von Volk und
Staat".
24.3.33 Gesetz "zur Behebung der Not von Volk und Reich"
("Ermächtigungsgesetz"): "Art. 2: Von der Regierung beschlossene Gesetze
können von der Reichsverfassung abweichen."
7.4.33 Gesetz "zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums": "§
3: (1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand
zu versetzen."
22.4.33 Berufsverbot für jüdische Kassenärzte.
15.9.35 "Reichsbürger sind nur Staatsangehörige deutschen oder
artverwandten Bluts. Der Reichsbürger ist der alleinige Träger der
politischen Rechte."
15.9.35 Gesetz "zum Schutze des deutschen Blutes und der
deutschen Ehre":
"§ 1: Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen
oder artverwandten Blutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind
nichtig [...]"
"§ 2: Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen
deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten."
§ 3: Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder
artverwandten Blutes unter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht
beschäftigen."
II. Phase
15. September 1935 - 9. November 1938
Von den "Nürnberger Gesetzen" bis zum November-Pogrom
30.9.35 Sämtliche Juden im Sinne des Reichsbürgergesetzes, die
noch Richter und Staatsanwälte sind, werden sofort bis auf weiteres
beurlaubt.
12.12.35 Verbot von "Einzelaktionen gegen Juden". Antijüdische
Maßnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Regierung oder unter der
Leitung der Partei erlaubt.
26.6.36 Gesetz "zur Änderung des Wehrgesetzes": Ein Jude kann
nicht aktiven Wehrdienst leisten. Jüdische Mischlinge können nicht
Vorgesetzte in der Wehrmacht werden.
4.10.36 Der Übertritt von Juden zum Christentum hat keine
Bedeutung für die Rassenfrage.
28.3.38 Gesetz "über die Rechtsverhältnisse der jüdischen
Kultusvereinigungen": Den jüdischen Kultusvereinigungen und ihren
Verbänden wird ab 1.4.38 die Stellung von Körperschaften des
öffentlichen Rechts entzogen.
22.6.38 In Krankenanstalten werden Juden von anderen getrennt
untergebracht, da "der Gefahr einer Rasseschändung wirksam
entgegengetreten" werden muß.
17.8.38 "Juden sind verpflichtet, die zusätzlichen Vornamen
‚Israel‘ oder ‚Sara‘ vom 1.1.39 ab zu führen."
5.10.38 Die Reisepässe deutscher Juden werden ungültig.
Auslandspässe erhielten ihre Gültigkeit zurück, nachdem sie mit einem
"J" versehen worden waren.
III. Phase
10. November 1938 - 1. September 1939
Vom November-Pogrom bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und den
ersten Deportationen
11.11.38 "Juden ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von
Schußwaffen und Munition sowie von Hieb- und Stoßwaffen verboten."
12.11.38 Verordnung über "Sühneleistung" der deutschen Juden in
Höhe von einer Milliarde Reichsmark. I. Verordnung zur Ausschaltung der
Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben: "Juden ist vom 1.1.39 ab der
Betrieb von Einzelhandels-, Versandgeschäften oder Bestellkontoren sowie
der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt." Verordnung zur
Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben.
15.11.38 "Juden ist der Besuch deutscher Schulen nicht gestattet.
Sie dürfen nur jüdische Schulen besuchen."
19.11.38 "Juden sind im Falle der Hilfsbedürftigkeit auf die
Hilfe der jüdischen freien Wohlfahrtspflege zu verweisen."
3.12.38 Die Führerscheine und Kraftwagenzulassungsbescheinigungen
der Juden werden für ungültig erklärt und ihre Ablieferung angeordnet.
5.12.38 "Vorbeugende Maßnahmen gegen Umgehung der
Devisenbestimmungen: Zur wirksamen Verhinderung der jüdischen
Kapitalflucht ist eine planmäßige Sicherung des jüdischen Vermögens
anzustreben."
28.1.39 "Juden ist es verboten, auf Märkten zu verkaufen."
15.3.39 "Ungesetzliche Auswanderung von Juden ist unverzüglich zu
verhindern. Die Flüchtigen und ihre Helfer sind festzunehmen und in
Konzentrationslager einzuliefern."
30.4.39 Gesetz "über Mietverhältnisse mit Juden": Juden genießen
gegenüber einem nichtjüdischen Vermieter keinen gesetzlichen
Mieterschutz. Vorbereitung zur Zusammenlegung jüdischer Familien in
"Judenhäusern".
4.7.39 X. Verordnung zum Reichsbürgergesetz: "Die
Reichsvereinigung der Juden in Deutschland wird errichtet (rechtsfähiger
Verein). Ihr Hauptzweck: Förderung der jüdischen Auswanderung. Die
Reichsvereinigung erhält auch das jüdische Schulwesen und die freie
jüdische Wohlfahrtspflege aus ihren Mitteln.
IV. Phase
1. September 1939 - 16. Februar 1945
Vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bis zur Vernichtung der deutschen
und europäischen Juden
25.9.39 Es ist Juden verboten, ihre Wohnungen nach 8 Uhr abends zu
verlassen.
Oktober 1939 "Alle Juden, die irgendeiner Anweisung nicht sofort
nachkommen oder ein staatsabträgliches Verhalten zeigen, sind sofort zu
verhaften und in ein Konzentrationslager zu schaffen."
23.7.40 "Die Arisierung jüdischer Gewerbebetriebe ist bis zum
Jahresende abzuschließen."
4.3.41 Arbeitseinsatz von Juden: "Um Berührungen mit der
Bevölkerung auf ein Mindestmaß zu beschränken, sind die jüdischen
Arbeitskräfte in Lagern unterzubringen."
1.9.41 Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden: "Ab
15.9.41 ist es Juden, die das sechste Lebensjahr vollendet haben,
verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen.
Juden ist es verboten, ohne schriftliche, polizeiliche Erlaubnis ihre
Wohngemeinde zu verlassen und Orden, Ehrenzeichen oder sonstige
Abzeichen zu tragen."
23.10.41 "Geheim! Die Auswanderung von Juden aus Deutschland ist
ausnahmslos für die Dauer des Krieges verboten."
24.10.41 "Deutschblütige Personen, die in der Öffentlichkeit
freundschaftliche Beziehungen zu Juden zeigen, sind aus erzieherischen
Gründen vorübergehend in Schutzhaft zu nehmen."
4.11.41 "Juden, die nicht in volkswirtschaftlich wichtigen
Betrieben beschäftigt sind, werden in den nächsten Monaten in die
Ostgebiete abgeschoben. Das Vermögen der abzuschiebenden Juden wird
zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen."
13.11.41 "Sämtliche in jüdischem Privatbesitz befindliche
Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Vervielfältigungsapparate, Fahrräder,
Photoapparate und Ferngläser sind zu erfassen und abzuliefern."
17.2.42 Juden sind von der Belieferung von Zeitungen,
Zeitschriften, Gesetz- und Verordnungsblättern durch die Post, durch
Verlage oder Straßenhändler ausgeschlossen.
13.3.42 Juden werden angewiesen, ihre Wohnungen mit einem
schwarzen Judenstern an der Eingangstür zu kennzeichnen.
10.7.42 "Geld- und Geschenksendungen jeder Art und jeder Form an
Deportierte sind verboten."
18.9.42 Die Versorgung von Juden mit Fleisch, Fleischprodukten,
Eiern, Milch und anderen zugeteilten Lebensmitteln wird eingestellt.
Lebensmittelrationen für jüdische Kinder werden gekürzt.
Anfang November 1942 "Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager
sind judenfrei zu machen, und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und
Lublin zu deportieren."
16.2.45 "Wenn der Abtransport von Akten, deren Gegenstand
antijüdische Tätigkeiten sind, nicht möglich ist, sind sie zu
vernichten, damit sie nicht dem Feind in die Hände fallen."
|